Kunst trifft Kunst im Juni 2015
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Es war, als hätten wir alle den Türklopfer eines großen, kunstvoll geschnitzten Tores betätigt. Nun standen wir in Bamberg, eher mit einem Fragezeichen auf der Stirn, als mit einem Staunen in den Augen, der Voraussetzung für die sängerische Grundeinstellung, wie wir alsbald lernten. Wir ließen zunächst zaghaft, aber „mit sicherem Gesicht Töne strömen“, strebten nach der Reinheit leerer Harmonien, die für die göttliche Vollendung stehen. Dort ist nicht alles erklärt, sondern es bleibt Raum für die offenen Fragen jedes Menschen.
In verschwenderischem Blau wölbte sich die Kuppel des Himmels über dem weiten fränkischen Gottesgarten, unter der sich auch die Kuppeln der barocken Kirchen bergen und die für so vieles Platz bietet: den doppelschaligen Grundriss eines Kirchenschiffs in Banz, einen alten katholischen Altar in der friedlichen, evangelischen Dorfkirche von Lindenhardt, die hebräischen Buchstaben des Gottesnamens in der Decke der Basilika Gössweinstein.
Wir durften hinter die Dinge sehen, und über die ausgetretenen, herkömmlichen Bahnen hinausdenken, wenn wir nur wollten. Es offenbarte sich uns facettenreich und für alle Sinne unsere tausendjährige Kultur, auf der wir stehen, wie die Apostelfiguren an der Fassade des Bamberger Doms auf den Schultern ihrer Vorväter. So wie die Bänke des Doms verschoben werden können, um Kaiser oder Bischof zu betrachten, hörten wir geistliche und weltliche Geschichten um Besitz und Macht, Ruhmsucht und Glauben, Geschichten der einen Welt. Und wir hörten verschiedenste Töne zu dem einen Lob Gottes: das Fabeltier, das im Chorgestühl aus voller Seele mit weit aufgerissenem Mund schreit, brausende Orgeltöne und unseren jubelnden Chorklang.
Genial fasste das Orgelnachspiel zum Sonntagsgottesdienst in Maria Limbach in Variationen eines Liedes, das uns durch diese Tage begleitet hatte, alles noch einmal zusammen. Geistvolle, augenzwinkernde Improvisationen voll Wertschätzung für die vielfältigen Gaben dieser Landschaft zum Wohle von Leib, Seele und Geist. Sie versicherten uns mit heiterer, selbstironischer Gewissheit, dass wir viele Himmelsleitern entdecken können, wenn wir die Scheuklappen unseres Alltags ablegen. Wir brauchen sie nicht gleich ersteigen, können aber über sie einen Glanz in unser Leben lassen.
In Vierzehnheiligen ist eine Himmelsleiter als Deckenfresko gestaltet. Hubert Pfeil und Arno Leicht haben uns nicht nur auf sie aufmerksam gemacht.
Text: Sabine Baranowski
Fotos und Layout: Hubert Pfeil