Der Morgenstern ist aufgedrungen



Bild "DerMorgenstern.jpg"
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Im Unterschied zu Lukas finden wir bei Matthäus keine Schilderung der Geburt Jesu. Jesus ist bereits geboren, als drei Weise aus dem Morgenland kommen, um ihn anzubeten. Sie sind die ersten, die Jesus noch als kleines Kind als den eigentlichen Herrscher der Welt anerkennen. Ihm allein gebührt Huldigung und Anbetung. Matthäus hat dieses Bekenntnis in diese schöne Geschichte gekleidet. Dass das anderen Herrschern in unserer Welt, wie z.B. Herodes, nicht gefällt, ist klar und deswegen setzt er gleich alle Mittel der Machtpolitik ein, indem er alle Kinder rund um Bethlehem töten lässt. Bis heute sind auch Kinder Opfer von Machtpolitik.
Der kleinen Familie gelingt jedoch, wie wir bereits auf dem zweiten Bild gesehen haben, die Flucht ins ferne Ägypten mit einem Esel als Transportmittel.
Nun sehen wir zwar auf dem Bild links unten den Kopf eines Esels, aber es ist nicht der Esel der hl. Familie, sondern der Esel Bileams. Zu dem später mehr. Überhaupt sieht das ganze überhaupt nicht aus wie ein Dreikönigsbild. Keine orientalischen Weisen oder gar Könige, keine voll bepackten Kamele, kein Gold, Weihrauch und Myrrhe, keine Krippe, nichts von dem, was wir kennen.
Wir sehen unten vier nach oben gerissene Gesichter, die zumindest teilweise von einem Lichtstrahl beleuchtet werden und wir sehen ihre ebenfalls nach oben gerichteten Hände. Ihr Blick richtet sich auf eine Lichtquelle ganz oben, ein strahlender Stern fast eine Sonne.

Ein Weihnachtslied handelt von diesem Stern:
Der Morgenstern ist aufgedrungen - Er leucht daher zu dieser Stunde
Hoch über Berg und tiefe Tal - Vor Freud singt uns der lieben Engel Schar.
Der Stern auf dem Bild leuchtet nicht über Berg und Tal, sondern über einem mächtigen Turm, der das Licht des Sterns nur über einen Riss in der Mitte freigibt. Der Blick auf das Licht ist also noch ziemlich versperrt, und doch – oder deswegen – scheinen die Gesichter von dem, was sie sehen oder eher erahnen so fasziniert zu sein, dass es ihnen Köpfe und Arme hochreißt. Sieger Köder drückt auf seine Art die Botschaft des Matthäus aus:: Dieses Kind, dieser Morgenstern ist der eigentliche Herrscher der Welt.
Und zwischen den Menschen unten und dem Stern oben wehren sich die anderen Herrscher, die anderen Stars unserer Welt:
Die Architekten, die Weltwunder von Gebäuden errichtet haben, die Techniker, die Atommeiler und Raketen für den Weltraumflug konstruiert haben, die Ingenieure, die es zu einem kühnen Eiffelturm gebracht haben. Man könnte diese Liste ergänzen um viele andere Monumente der Menschheit, die Zeugnisse ihres Erfindungsreichtums, ihrer Intelligenz und ihre Muts sind. Sternstunden der Menschheit.
In unserem Bild werden sie zu einem Hindernis, um den wahren Stern zu erblicken. Es geht nicht darum, die großartigen Leistungen der Menschen klein zu machen, aber sie sind immer wieder in Gefahr zu Ersatzgöttern zu werden, den Blick auf das wahre Licht, auf den eigentlichen Stern zu trüben. Diese Gefahr der Selbstüberschätzung erzählt die Bibel in der Geschichte vom Turm zu Babel, und Sieger Köder hat sich dieses Bildes bedient, Babylonische Türme werden bis heute errichtet. Und bis heute brauchen wir Weise, die uns den Blick auf den wahren Stern unseres Lebens öffnen.

Wir werden gleich einen Ausschnitt aus einer schönen Erzählung des Ersten Testaments hören. Weil es für heute abend zu lang wäre, die ganze Geschichte zu lesen, möchte ich das Gehörte kurz in einen Zusammenhang stellen, damit es verständlich wird. Die Geschichte erzählt von Bileam, der seine prophetischen Fähigkeiten zum Beruf gemacht hat. ER vermittelt den Menschen den Willen Gottes und wird für diese Tätigkeit entlohnt.
Doch jetzt kommt es zu einem spannenden Konflikt: Der König der Moabiter, mit denen Israel gerade mal wieder Krieg führt, hat von den seherischen Fähigkeiten Bileams gehört und will ihn für seine Zwecke in Dienst nehmen. Bileam soll sein eigenes Volk Israel verfluchen, damit sie die Moabiter nicht besiegen. Zuerst wehrt sich Bileam: Gott will das Volk Israel nicht verfluchen, im Gegenteil, er will es segnen. Doch der Moabiterkönig lässt nicht locker. Er wiederholt seinen Auftrag und bietet ihm eine Menge Geld dafür.
Wenn auch zögernd macht sich Bileam auf den Weg, aber ein Engel Gottes stellt sich ihm in den Weg. Eine Pointe der Geschichte ist, dass Bileam diesen Engel nicht sieht, dafür aber seine Eselin, ausgerechnet eine Eselin ist ihrem professionellen Propheten überlegen. Sie weicht deswegen dreimal dem Engel aus, was nun Bileam überhaupt nicht verstehen kann und zur Peitsche greift. Und dann setzt der folgende Text ein:

Lesung Num. 22, 27-34

Die Geschichte geht noch weiter. Sie können sie gern im Buch Numeri nachlesen.
Unsere Frage ist, was diese Geschichte, dieser Bileam auf dem Bild mit den drei Weisen zu suchen hat. Es geht in dieser Geschichte auch um die Frage, wer der eigentliche Herrscher der Welt ist. Bileam sollte es als ein Prophet Israels eigentlich wissen, dass Gott die Geschicke der Menschen lenkt. Aber er lässt sich durch ein großzügiges Angebot verleiten, nicht den Willen Gottes, sondern den Willen seines Auftraggebers zu verkünden. Diese Versuchung dürfte auch uns nicht ganz unbekannt sein. Gott selber stellt sich ihm – in Gestalt eines Engels – in den Weg, sodass er sein Prophetenamt wieder richtig ausüben kann. Damit ist Bileam einen ähnlich weiten Weg gegangen wie die drei Weisen um schlussendlich das Licht der Wahrheit oder den Morgenstern zu finden. Und darin sind sie uns alle Vorbilder: Sie suchen durch das Dickicht eines immer größer werdenden Angebots, was denn unser Leben wirklich trägt, die wahre Antwort, nicht den Stein der Weisen, sondern den lichtspendenden Morgenstern. Ich wünsche uns, dass wir auf dieser Suche im nächsten Jahr wieder einen Schritt weiterkommen